Über Arlesheim hinaus


Wozu braucht es in Arlesheim die Grünliberalen? Das fragen sich dieser Tage die geneigten Beobachter des ach so grossen und vielfältigen Arlesheimer Poliuniversums. Ganz einfach: Die wollen in der Dorfpolitik gar nicht mehr als ein Nonvaleur sein, anders kann man das gar nicht verstehen. Sie können aber zum Zünglein an der Waage bei den Landratswahlen werden. Zurzeit scheinen sie ja überall, wo sie auftauchen, einen Startbonus (golden Handshake nennt man das in der Wirtschaft)  zu haben. In Basel-Stadt schafften sie auch aus dem Stand den Sprung in den Grossen Rat. Im Baselbiet soll sich die Geschichte wiederholen. Mit ihrer Identität in Abgrenzung zu Freisinn und Grünen, eine eigenartige ich bin weder-noch, darum bin ich Ontologie, haben sie das nötige Potential dazu. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Muttenzer Deponie-Debatte. Es gibt vermutlich genug Liberale, die in dieser Frage ein bisschen Grün sind. Erstaunlich, dass sie sich hierzu noch nicht geäussert haben. Aber es sei ihnen verziehen. Schliesslich steckt man ja noch in den Windeln. Da sollten sich das liberale Original aber in Acht nehmen.

Langer Rede kurzer Sinn: Jetzt müssen sich die Parteien in die Startlöcher für die Landratswahlen begeben, weshalb die Grünliberalen ein möglichst dichtes Netz an Ortsektionen im Kanton brauchen. End of Story. Darum gibt es von ihnen auch keine Website. Das hätte eine Partei, die sich heute in diesem Dorf Ernst nehmen will gehabt, bevor sie im Sternen auf ihre Gründung getrunken hat. Sie hat eine, man muss sie nur finden.

Dort unten, ennet der Birs, geht’s morgen ans Eingemachte. Fertig Harassenlauf. Reinach und Münchenstein haben ja genug, die Schnauze voll. Und stürzen sich vom einen ins nächste Ungemach. Wie dumm. Wenn 600 genervte Polizisten aufmarschieren müssen, weil zwei Gemeinden meinen ein Problem zu haben mit ein paar Tausend (zugegeben, es sind schon verdammt viel) jungen Biertrinkern, dann kann der Schuss nur in den Ofen gehen. Die Jugend wird dem Staat das Feld nicht einfach so überlassen. Hier geht es um Freiraum, Abgrenzung und immer auch um Provokation. Seit es die Jugend gibt, wird die Erwachsenenwelt provoziert. Der Harassenlauf machte das bis anhin sogar sehr subtil. Die Wirkung hat’s nicht verfehlt. Seit Jahren ist das sportliche Biertrinken schon ein Politikum. Ziel erreicht. Die Aufmerksamkeit ist da. Gesellschaftliche Probleme a gogo wurden von hilflosen PolitikerInnen in ihrer verzweifelten Sinnsuche hineingedeudelt – vergebens. Da gibt es nicht viel zu erklären. Der Bierlauf war nie mehr, als das was er war. Ein kollektives Besäufnis zum Ärger der Eltern. Ein Mal im Jahr.

Jetzt ist er mehr. Ein Generationenkonflikt. Ein Verdrängungskampf zwischen erwachsenem Missmut und jugendlicher Unbesonnenheit. Dabei darf die Jugend zu Recht ein wenig Unbesonnenheit einfordern. Schliesslich kommt das Erwachsenenleben noch früh genug. Dass der Missmut nun zur ultima Ratio greift, ist als Bankrotterklärung zu werten. Die Jugend wird morgen, wenn auch nicht so zahlreich wie in der Vergangenheit, versuchen ihr Zeichen zu setzen. 14.00 beim Schwimmbad Reinach. Und auf diversen Alternativrouten.

Davon wird nächste Woche vermutlich wenig zu lesen sein. Denn wenn die Krawalltouristen sich das poltische Massenspektakel Harassenlauf als morgiges Ausflugsziel aussuchen, und darauf deutet einiges hin, dann haben die Gemeinden Münchenstein und Reinach erfolgreich ein Stück Zürcher 1. Mai-Tradition importiert. Es braucht dazu nicht viele. Das weiss man von Fussballspielen, dort sind genauso viele Polizisten zugegen. Die Schäden einer solchen Nachdemo sind nicht nur politischer Natur.  War es das bisschen Bier wert?

Das Abfallproblem hätte sich auch günstiger lösen lassen.

Per 1. August 2010 soll die Änderung der Sekundarschulstandorte in Kraft treten, heisst es im Papier „Grundsatzbeschlüsse zur Festlegung der Sekundarschulkreise und der Sekundarschulstandorte„. Das würde doch bedeuten, dass mit diesem Datum die bisherige Schulleitung der Sek.-Arlesheim nichtig wird, genauso der Schulrat, weil ja die Leitung der an zwei Standorten geführten Sekundarschule Münchenstein/Arlesheim den Münchensteiner obliegt. „Jede Sekundarschule wird durch eine Schulleitung geleitet und je ein Schulrat nimmt die Aufsichtspflicht wahr.“, heisst es darin. Ist das jetzt eine Schulratsersatzwahl mit der Halbwertszeit von einem halben Jahr, bis alles wieder auf den Kopf gestellt wird?

Vielleicht blicke ich da einfach nicht durch, aber  diese Fragen muss man sich nach Durchsicht der Landratsvorlage schon stellen. Aufklärung willkommen.

Ich erlaube mir kurz einen Blick nach Muttenz zu werfen. Das tut mir auch wahnsinnig leid, aber heute muss es sein. Die bauen dort ja tatsächlich ein Public-Viewing für die WM in Südafrika auf das Schänzli! Ernsthaft! 2’500 Plätze, Festzelte, Catering und der ganze Schrott. „9. Stadion???“ So ein Projekt müsste heute als Versicherungsbetrug klassifiziert werden, weil ein Konkurs so sicher ist, wie das Amen in der Kirche. Basel-United hat ja genug Geld, RC Electronics aber nicht. Für einen von zwei Partnern wird es eng werden. Und wenn die Muttenzer von echten Schildbürgern regiert werden, haben die Schildbürger denen auch eine Defizitgarantie ausgestellt, oder zumindest eine Kostenbeiteiligung zugesagt. Die Fortsetzung dieser Geschichte garantiert gute Unterhaltungt.

Heute ist ein grosser Tag für den Gemeinderat. Die Sekundarschule wird im Dorf bleiben. Die BKSK (Bildungs-, Kultur- und Sportkommission) hat sich ausdrücklich dafür stark gemacht, dass Arlesheim nicht nur vorläufig,  sondern gar für immer, Sekundarschulstandort bleibt. Münchenstein und Arlesheim sollen aber eine gemeinsame Schulleitung erhalten. Soweit das BaZ nachbeten. Jetzt wird zum Faktischen, was vor anderthalb Jahren noch niemand so recht hätte glauben wollen. Die Arleser setzen sich durch gegen den Kanton. Kein leichtes, ausser man lässt sich wirklich gut beraten. Das haben Kalle und Co. in Anspruch genommen. Dank dieses Mandats haben sie auch den Gemeindeversammlungsbeschluss zur Sanierung der Bildungsruine GII durchboxen können (dank einer (!) Stimme). Eine teure und umstrittene Investition, die sich jetzt bezahlt machen wird. Jetzt wäre der Moment gekommen, den Triumpf gebührend zu feiern. Lieber Peter de Marchi ruf doch schon mal den Kalle an, damit ihr einen Termin für das grosse Interview abmachen könnt.

Und jetzt noch in Kürze: Wie konnte das passieren? Ganz einfach. Wir beharren einfach auf unseren Standpunkt. Am besten tun wir das medial breitflächig kund, ohne uns davor mit den Münchensteinern abgesprochen zu haben. Dann verhärten sich die Fronten. Bis man sich für ein gemeinsames Vorgehen entschliesst, hat man bereits vollendete Tatsachen geschaffen, dem Nachbar bleibt also nichts anderes übrig, als dem eigenen Standpunkt zu folgen. Irgendwann ist die Zweischulenlösung die einzig praktikable für den Kanton. Das besiegelt in Kürze wohl auch die BKSD. So wird das aber nicht im nächsten Arleser Jahrhundertbuch stehen.

Das hat übrigens Auswirkungen auf den Schulratswahlkampf (Yes, es gibt wieder einen!). Man kann sich nicht mehr dafür einsetzen, dass die Sek im Dorf bleibt.

Die Birsstadt hat nun ihren standesgemässen Bahnhof! Morgen wird die Verkehrsdrehscheibe Dornach-Arlesheim offiziell eingeweiht. Hey, das ist ein echtes Highlight! Das ist „die perfekte Welle„. Immerhin ist es jetzt schon ein birsstadtliches Vorzeigemodell, bei dem über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus effizient zusammengearbeitet wurde. Und da gibt es neue Busverbindungen, zum Beispiel eine zum Bahnhof Münchenstein durch das Industriegebiet im Tal. In den Amtsstuben überlegt man sich bereits, wie man Schnellzüge dazu bringen könnte in der Metropolitanregion Birsstadt anzuhalten. Das unterscheidet nämlich letztlich die grossen von den kleinen Bahnhöfen. Und was wäre so ein Knotenpunkt (mindestens der grösste im Kanton) ohne ICE-Anbindung.

Trotzdem: Das ist ein Meilenstein, in Kalles Worten: „Ein Jahrhundertereignis.“ Das wird er nämlich morgen nicht ganz zu Unrecht sagen. Denn er überlegt sich bereits, wie die Kapitel des in 100 Jahren erscheinenden Buches der Säulizunft über die letzten 100 Jahre Arlesheim gefüllt werden sollen. Seine Chancen auf eine mehrfache Erwähnung sind intakt. Innert acht Tagen ist das bereits das zweite solche Ereignis (Feuerwehrdefilée). Macht er in diesem Tempo weiter gehören Kalle die ersten 50 Seiten des Buches.

Der Allgemeinheit darf das Wurscht sein. Wir freuen uns über einen vorbildliches ÖV-Angebot. Dafür zahlt man auch gerne Steuern. Und das haben die beteiligten Gemeinderäte auch gut hingekriegt. Auch wenn das nicht immer so reibungslos lief. Der Spatenstich erfolgte quasi in letzter Minute, bevor der Anspruch für Bundessubventionen aus dem Agglomerationsprogramm verfiel.

Nach den Rauchern soll es jetzt den Mountainbikern an den Kragen gehen? So in etwa wird derzeit der Streit zwischen den Bürgergemeinden und den Mountainbikern ausgefochten. Das Schlagwort Verbotskultur ist zum Leitmotiv des politischen Diskurses geworden. Im vorliegenden Fall zu Unrecht. Es geht nicht um das Verbieten. Vielmehr wäre der aktuelle Zwist eine Chance sich wieder einmal mit dem Wald als Spannungsfeld verschiedener Nutzungsinteressen auseinanderzusetzen. Darum geht es eigentlich und nicht um rasante Verfolgungsjagden von Gempen nach Arlesheim, die sich bemountainbikete Gemeindepolizisten mit wagemutigen Singletrailern liefern werden. Biker, Hündeler, Spazierer, Kletterer, Förster und Wildtiere nutzen den Wald als Naherholungsgebiet, Sportanlage, Lebensraum und Ressource. Nun tun sich halt eben Zielkonflikte auf unter den angesprochenen Nutzergruppen. Die lassen sich bestimmt nicht mit einer Biker-Demo in Arlesheim lösen, auch nicht wenn der heilige Hubertus zum Schutzpatron ernannt werden soll. Es soll uns aber Recht sein. Die Biker Prozession vom Domplatz gen Gempen gibt sicher gute Bilder fürs Lokalfernsehen. Verhindert aber auch nicht, dass die Biker und die Wadenbeisser wieder an einen runden Tisch sitzen müssen. Vorbild für die Gespräche mit den Bürgergemeinden, wo auch Kink und Dudler zu Wort kommen werden, könnten die Kletterer sein. Die hatten mal ähnliche Probleme und jetzt keine mehr. Mit ein bisschen Entgegenkommen kommt man weiter. Darauf eine Goldwurst.